Die Idee hinter Spot on

Die Idee hinter <i>Spot on</i>

„Spot on – Demokratie auf der Spur“. Eine Handy-App

Was ist Demokratie für Dich? Was fällt Euch ein, wenn Ihr das Wort „Demokratie“ hört? Dies sind Fragen, die häufig zu ähnlichen, noch viel öfter aber zu unerwarteten Antworten führen. Wahlen werden natürlich häufig genannt, auch Demonstrationen oder das Parlament. Überhaupt die Möglichkeiten, am Zusammenleben mitzuwirken, Politik zu gestalten und mitzubestimmen, stellen für viele Menschen wichtige Facetten von Demokratie dar. Doch reagieren manche auch skeptisch: Demokratie? Gibt’s die überhaupt noch bei uns? Kann ich bei dieser oder jener Frage überhaupt mitentscheiden? Und gibt es denn Orte, an denen meine Stimme wirklich zählt? Im Art. 20 des Grundgesetzes ist festgehalten, dass „die Bundesrepublik Deutschland […] ein demokratischer und sozialer Bundesstaat [ist]“. Spot on regte dazu an, gemeinsam zu überlegen, was Demokratie ausmacht und für alle Menschen eigentlich bedeutet.

Themen und Orte der Demokratie sichtbar machen

Das Angebot „Spot on – Demokratie auf der Spur“ lenkt den Blick auf die unterschiedlichsten Facetten von Demokratie. Menschen bekamen die Möglichkeit, ihre Themen und Orte der Demokratie sichtbar zu machen – und auch all jene, bei und an denen sie sich mehr Demokratie wünschen. Spot on verfolgt dabei einen innovativen Ansatz: Mithilfe einer kostenlosen Handy-App konnten Gruppen in ganz Niedersachsen digitale Bildungsrouten entwickeln. Diese können nun andere User_innen mit der App im Rahmen digital geführter Stadtrundgänge erkunden.

In Kleingruppen lösen die Spielenden mithilfe ihrer GPS-Handys oder Tablets an jeder Station gemeinsam Quizfragen, erfüllen Aufgaben oder diskutieren über die gesetzten Themen. Rätsel und Aufgaben, Texte und Videos bieten spielerische Anreize, Meinungen zu diskutieren, eigene Einstellungen zu hinterfragen und Standpunkte zu beziehen. So wählte beispielsweise eine Gruppe in Hannover einen Taxistand als Ort der Demokratie aus, da Taxis im Iran besonders gefragte Orte für Diskussionen über Politik sind. Die Erkundenden erfahren so mehr über die politische Lage im Iran und werden dann aufgefordert, zu besprechen, welche Fragen und Diskussionen sie gerade für besonders wichtig halten. Dadurch erfüllt der gewählte Ort gleich mehrere Funktionen: Er überrascht, informiert und regt zum Nachdenken sowie Diskutieren über die eigene Situation bzw. die Politik vor Ort an.

Die Gruppen, welche die Routen erstellt haben, entschieden darüber, welchen Fokus sie setzen wollten. In Kooperation mit der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung wurden beispielsweise inhaltliche Workshops zum Thema Beteiligung mit praktischer Unterstützung bei der Erstellung der Routen rund um diesen Schwerpunkt verbunden. Hier erarbeiteten die Gruppen dann zunächst, was sie unter „echter“ Beteiligung verstanden, wo diese bei ihnen vor Ort bereits praktiziert wurde und in welchen Bereichen sowie an welchen Orten sie sich mehr davon wünschten. Dabei entstand eine „Beteiligungslandkarte“, die Grundlage für die spätere Umsetzung der digitalen Route wurde.

Die Route entstand im zweitägigen Workshop

Bereits 2017 und 2018 entstanden mit derselben Methode unter dem Titel „map the gap“ Routen entlang von Orten der Teilhabe und des Ausschlusses. Dabei handelte es sich um ein Pilotprojekt der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung, umgesetzt wurde es vom Niedersächsischen Landesjugendring gemeinsam mit dem Zentrum Demokratische Bildung. Und auch viele weitere Themen waren je nach inhaltlichem Schwerpunkt und lokalen Besonderheiten möglich und denkbar. Infrage kamen zum Beispiel auch Rundgänge entlang von „Frauenorten“, demokratisch-historischen Erinnerungsorten oder Institutionen. In vielen Fällen konnten die Gruppen nach einer formalen Prüfung und inhaltlichen Abstimmung durch die LpB die Routen selbstständig erstellen – oder aber in Kooperation mit der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung.

Eine Spot on-Route entstand im Rahmen eines zweitägigen Workshops. Im Vorfeld musste sich die Gruppe dafür nicht nur ihren Themenschwerpunkt überlegen. Auch ging es darum, geeignete Orte zu identifizieren, diese mit interessanten Aufgaben und Informationen zu unterfüttern, eine spannende Route zu entwickeln und damit den späteren Erkundenden die eigene Perspektive zu zeigen (Peer-to-Peer-Ansatz). Hierbei war nicht bloß ein inhaltlicher Auseinandersetzungsprozess mit dem gewählten Themenschwerpunkt wichtig, sondern auch die diskursive Entwicklung der Route. Denn nicht alle in der Gruppe hatten von Anfang an ähnliche Ideen und Vorstellungen davon, was Demokratie für sie war und welche Orte ausgewählt werden sollten. Vielmehr war dies in Diskussionen ausgehandelt worden, bevor es an die praktische Umsetzung ging. Zuletzt galt es, diese dann auch technisch umzusetzen und dabei Fragen zu Urheber- und Nutzungsrechten, zur Medienerstellung und zur Barrierefreiheit mitzudenken. Teil des Entwicklungsprozesses war es, die ausgewählten Orte und die damit verbundenen Aufgaben medial aufzubereiten. Gruppen können dies beispielsweise mithilfe selbst erstellter Kurzvideos oder Fotografien, mit eingesprochenen Texten oder selbst erstellen Quizzen umsetzen.

Je nach Perspektive kann derselbe Ort dann von verschiedenen Gruppen völlig unterschiedlich ausgefüllt und gedeutet werden. Für die einen kann er zum Beispiel Ort gelebter Demokratie sein – oder für eine andere Gruppe einer, an dem sie sich mehr Beteiligungsrechte wünscht. Denken wir nur an ein Rathaus, das mit seinen Stadtratssitzungen und offenen Sprechstunden für manche ein Sinnbild klassischer repräsentativer Demokratie sein kann – und für andere ein Ort, den sie in ihrem Alltag nie betreten würden. Für einige kann das Rathaus sogar ein Ort großer Frustration sein, wenn sie sich von den politischen Prozessen vor Ort mangels Wahlrecht ausgeschlossen fühlen.

Und auch die Aufgaben, die an einer Station festgemacht wurden, können völlig unterschiedlich ausfallen. Bleiben wir beim Beispiel des Rathauses: Eine Aufgabe kann hier ein Quiz sein – wie viele Abgeordnete sitzen hier im Stadtrat? Eine andere Aufgabe wiederum kann zum Diskutieren anregen: Welches Thema sollte bei der nächsten Stadtratssitzung auf die Tagesordnung? Was ist die Meinung der User_innen? Oder auch ganz interaktiv: Rathäuser sollen Orte für alle Menschen sein. Mit einem Foto ließe sich dokumentieren, ob und wo es einen barrierefreien Zugang gibt. Dabei waren noch zahlreiche weitere Varianten möglich. Damit lag es in den Händen der erstellenden Gruppen, gemeinsam zu erarbeiten, welche Orte sie mit welcher Bedeutung und welche Aufgabe zur Diskussion stellen wollten.

Dabei stellen Rathäuser und andere Institutionen des öffentlichen Lebens, wie das Beispiel des Taxistands gezeigt hat, lediglich einen kleinen Ausschnitt all der Orte dar, die Menschen mit Demokratie verbinden. So konnten auf dem Weg auch ein Parkplatz, ein WLAN-Hotspot, eine Schule oder ein Vereinsheim liegen. Der Transfer, was dieser Ort mit Demokratie zu tun hat, wurde von den Erstellenden mit pädagogischer Unterstützung erarbeitet und regt nun alle, die die Route erkunden, zum Nachdenken an: Ist das auch für mich ein Ort der Demokratie? Welche Orte hätte ich ausgewählt? Warum ausgerechnet hier?

Vielfalt der Perspektiven

Diese Vielfalt der Perspektiven und Aufgabenstellungen macht die Erkundung einer Route für den pädagogischen Einsatz ebenso wertvoll wie die Erstellung von Routen. Besonders wenn diese zum Beispiel von Jugendlichen für Jugendliche gemacht wurden, ermöglicht dies beiden Akteursgruppen – den Ersteller_innen wie den Erkundenden – neue Perspektiven und ein kreatives Nachdenken über Demokratie. Lehrkräfte oder andere Multiplikator_innen können die während der Route erarbeiteten Inhalte für weitere Bildungszwecke nutzen und so in einen längeren Bildungsprozess einbetten.

Die App „Spot on – Demokratie auf der Spur“ erlaubt eine spielerische, kreative und kritische Auseinandersetzung mit Demokratie vor Ort. Als niedersachsenweites Angebot ist sie für unterschiedliche Zielgruppen anwendbar und lässt sich in ganz unterschiedlichen Kontexten einsetzen. Der Peer-to-Peer-Ansatz in Verbindung mit dem Einsatz von Smartphones oder Tablets macht es besonders für junge Nutzer_innen zu einer interessanten Möglichkeit, sich mit unterschiedlichen Facetten von Demokratie auseinanderzusetzen.

Dieser Text wurde bereits veröffentlicht in:
Bundeszentrale für politische Bildung: „Demokratie ganz nah – 16 Ideen für ein gelebtes Grundgesetz“, Bonn 2019.

Der Text ist als PDF und EPUB verfügbar.

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